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Nötigung durch Abstellen eines Kfz nur bei direktem Vorsatz möglich:

(Kammergericht Berlin, Beschluss vom 20. 11. 2009, (3) 1 Ss 334/09)

Die äußerst diffizile Rechtsprechung zur Anwendung des Nötigungsparagrafen (§ 240 StGB) im Straßenverkehr durch das Abstellen eines Kfz bzw. Blockade der Straße ist um eine Nuance reicher. Bisher war bekannt, dass das vorsätzliche Blockieren von Fahrstreifen oder Einfahrten durchaus den Tatbestand der Nötigung erfüllen kann, wie es z. B. in den Sitzblockadefällen entschieden worden war. In diesen Fällen wurde meist aus Gründen politischen Protests eine Straße blockiert, um Aufmerksamkeit zu erregen. Geschah dies mittels Gegenständen wie Kfz, wurde argumentiert, die hinter dem Fahrzeug Befindlichen Fahrer könnten ihre Fahrt angesichts des Hindernisses nur unter Inkaufnahme eines Unfalls unvermindert fortsetzen, was schließlich zum Anhalten bzw. langsam fahren führe, so dass der Blockierende letztlich die Masse seine Kfz benutze, um die hinter ihm Fahrenden zum Anhalten zu zwingen. Folglich bedroht er die nach ihm Kommenden mit einer Verletzung bzw. Beschädigung, wenn sie ihren Willen zum Weiterfahren nicht aufgeben, und droht ihnen damit Gewalt an.

Diese Einschätzung wurde bisweilen mit dem Argument kritisiert, ein passives Zuwarten sei nicht mit den Begriffen Gewalt oder der Drohung mit Gewalt zu vereinbaren, denn der natürliche Wortsinn der „Gewalt“ verlange wenigstens eine nicht unerhebliche Kraftentfaltung und die Drohung damit müsse auf eine entsprechende Handlung bezogen sein.

Andererseits ist aber nicht einzusehen, warum ein Verstellen des Weges nicht als gewalttätige Handlung zu bewerten wäre.

Der Angeklagte des o. g. Verfahrens war nach einer schweren Beleidigung an einer durch Unfallfahrzeuge verengten Straße in Berlin aus dem Fahrzeug gestiegen, um den Täter dingfest zu machen, und hatte hierbei sein Fahrzeug so abgestellt, dass der nachfolgende Verkehr mehrere Minuten nicht weiter kam. Wenden war indes noch möglich. Es sprach einiges dafür, dass die Feuerwehr aufgrund des wenige Minuten zuvor passierten Unfalls an dieser Stelle ohnehin wenig später die Spur blockierte, doch wurde hierzu seitens der Staatsanwaltschaft und des Amtsgerichts in der ersten und zweiten Instanz nicht ermittelt.

Das Amtsgericht Tiergarten von Berlin verurteilte den Angeklagten u. a. deswegen zu einer Geldstrafe von 12.000,- € und verhängte ein Fahrverbot von 3 Monaten. Eine nachvollziehbare Begründung wurde nicht gegeben. Der Beleidiger hatte zunächst die Beleidigung eingeräumt, sie später aber abgestritten.

Im Berufungsverfahren vor dem Landgericht Berlin wurde der Schuldspruch zur Nötigung wiederum ohne nähere Begründung bestätigt.

Die Revision des Angeklagten gegen diese Beurteilung hatte Erfolg und führte zur vollständigen Aufhebung des Urteils gegen ihn. Für das Kammergericht (entspricht Oberlandesgericht) handelte es sich zweifellos um keine Nötigung, weshalb die Bemühungen der Staatsanwaltschaft Berlin ohne Verhandlung durch einstimmigen Beschluss für vergeblich erklärt wurden. Insbesondere führt es aus:

„Zwar hat der Angeklagte durch sein Verhalten die Verkehrsregeln vorsätzlich verletzt, denn er verstieß gegen §§ 1 Abs. 2, 12 Abs. 2, 3, 49 Abs. 1 Nr. 1 und 12 StVO, eine strafbare Nötigung stellt dies jedoch nicht dar. Im Straßenverkehr kommt es oft zu Situationen, in denen das Verhalten eines Verkehrsteilnehmers andere behindert. Der Gesetzgeber hat dem dadurch Rechnung getragen, dass er ein auf die Schwere und Zielrichtung des Fehlverhaltens abgestimmtes System von Sanktionen bereithält. Auf dieser Grundlage wird in der Rechtsprechung ein Verhalten im Straßenverkehr nur dann als Nötigung im Sinne des § 240 StGB angesehen, wenn die von ihm ausgehende Auswirkung auf die anderen Verkehrsteilnehmer nicht bloße Folge, sondern Ziel des verbotswidrigen Verhaltens ist (vgl. OLG Hamm NstZ 2009, 213). Dem Täter muss es gerade darauf ankommen, das Verhalten anderer Verkehrsteilnehmer zu beeinflussen. Es genügt daher nicht, dass er um die beeinträchtigenden Auswirkungen seines Verhaltens weiß, sondern diese müssen von ihm bewusst angestrebt werden. Eine derartige Zielfixierung ist beim Angeklagten nicht ersichtlich. Zwar hat er nach den Urteilsfeststellungen seine eigenen Interessen in rücksichtsloser Weise verfolgt und den Belangen der übrigen Verkehrsteilnehmer und des Unfallopfers keinerlei Bedeutung beigemessen, er hielt sich jedoch hierzu für berechtigt, weil er glaubte, von dem Zeugen ... beleidigt worden zu sein.“. Dem ist zuzustimmen. Das feine System der Sanktionierung gemäß der StVO würde unterlaufen und letztlich ad absurdum geführt, wenn ohnehin jeder Fall der Blockade gleich als Nötigung nach dem Strafgesetzbuch zu verfolgen wäre.